MÜNCHEN (IT BOLTWISE) – Die Frage, warum wir uns nicht an unsere frühesten Lebensjahre erinnern können, hat Wissenschaftler seit Jahrzehnten beschäftigt. Neue Forschungen der Yale University werfen nun ein neues Licht auf dieses Phänomen.
Die Fähigkeit, sich an die ersten Lebensjahre zu erinnern, bleibt für viele Menschen ein Rätsel. Trotz der rasanten Lernfähigkeit von Kleinkindern scheinen Erinnerungen an die Zeit vor dem dritten Lebensjahr zu verschwinden. Dieses Phänomen, bekannt als infantile Amnesie, hat zu zahlreichen Debatten darüber geführt, ob Babys überhaupt Erinnerungen bilden oder ob diese im Laufe der Zeit einfach verblassen.
Eine bahnbrechende Studie der Yale University legt nahe, dass die Gehirne von Säuglingen durchaus in der Lage sind, Erfahrungen zu kodieren. Diese Erinnerungen könnten jedoch mit der Reifung des Gehirns unzugänglich werden. Diese Erkenntnisse verändern unser Verständnis der Gedächtnisbildung und könnten Hinweise darauf geben, wie das Gedächtnis im späteren Leben abgerufen wird.
Der Hippocampus, eine kleine, seepferdchenförmige Struktur tief im Gehirn, spielt eine entscheidende Rolle bei der Bildung und dem Abrufen episodischer Erinnerungen, die mit bestimmten Ereignissen, Orten und Personen verbunden sind. Bei Erwachsenen führt eine Schädigung des Hippocampus zu schwerem Gedächtnisverlust, was das Erinnern persönlicher Erlebnisse erschwert. Lange Zeit wurde angenommen, dass der Hippocampus von Säuglingen nicht ausreichend entwickelt ist, um solche Erinnerungen zu speichern.
Frühere Theorien gingen davon aus, dass der Hippocampus von Säuglingen zu unreif ist, um episodische Erinnerungen zu speichern. Diese Annahme basierte auf der Tatsache, dass die Gedächtnisschaltkreise des Gehirns, bekannt als der trisynaptische Pfad, sich in den frühen Lebensjahren noch entwickeln. Einige Studien verglichen auch die Gedächtnisfähigkeiten von Säuglingen mit Erwachsenen, die eine Schädigung des Hippocampus erlitten hatten, was die Überzeugung verstärkte, dass junge Gehirne Erfahrungen nicht richtig kodieren können.
Neuere Forschungen deuten jedoch auf das Gegenteil hin. Verhaltensstudien haben gezeigt, dass Säuglinge sich an bestimmte Ereignisse über Tage, Wochen oder sogar Monate erinnern können, was der Annahme widerspricht, dass ihre Gehirne keine Erinnerungen speichern können. Bislang fehlte jedoch der direkte Nachweis aus dem Gehirn selbst.
In der neuesten Studie, veröffentlicht in der Zeitschrift Science, verwendeten Forscher die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), um die Gehirnaktivität von Säuglingen im Alter von vier bis 25 Monaten zu messen, während sie Bilder von Gesichtern, Objekten und Szenen betrachteten. Durch die Analyse, wie lange Säuglinge später auf vertraute Bilder im Vergleich zu neuen schauten, konnten Wissenschaftler feststellen, ob eine Erinnerung kodiert worden war.
Die Ergebnisse zeigten, dass, wenn der Hippocampus während des ersten Erscheinens eines Bildes aktiver war, das Baby es später eher erkannte. Dies deutet darauf hin, dass Säuglinge ab einem Alter von 12 Monaten episodische Erinnerungen in derselben Region des Hippocampus kodieren können, die Erwachsene für die Speicherung von Erinnerungen nutzen.
Die Erkenntnisse legen nahe, dass frühe Erinnerungen zwar kodiert werden, aber mit der Entwicklung des Gehirns schwer zugänglich werden. Eine mögliche Erklärung ist, dass diese Erinnerungen nie in den Langzeitspeicher übergehen und verblassen, bevor sie gefestigt werden können. Eine andere Erklärung ist, dass diese Erinnerungen im Gehirn verbleiben, aber mit der Entwicklung unzugänglich werden.
Tierstudien liefern interessante Hinweise. Forschungen an Nagetieren zeigen, dass in der Kindheit gebildete Erinnerungen dauerhafte zelluläre Spuren, sogenannte Gedächtnisengramme, im Hippocampus hinterlassen. Selbst wenn junge Tiere scheinbar vergessen, bleiben diese Spuren intakt. In einigen Fällen kann der Gedächtnisabruf durch spezifische Hinweise oder direkte Stimulation dieser Engramme wiederhergestellt werden.
Interessanterweise könnte die schnelle Neurogenese (Wachstum neuer Neuronen), die in der Kindheit stattfindet, den Abruf von Erinnerungen beeinträchtigen. Einige Wissenschaftler glauben, dass neue Neuronen, die in den Hippocampus integriert werden, bestehende Gedächtnisschaltkreise stören und frühere Erinnerungen schwerer zugänglich machen. Dies könnte erklären, warum Erinnerungen aus der frühen Kindheit verblassen, obwohl das Gehirn immer noch in der Lage ist, sie zu speichern.
Die neuen Erkenntnisse stellen die traditionelle Ansicht in Frage, dass infantile Amnesie auftritt, weil das Gehirn zu unreif ist, um Erinnerungen zu bilden. Stattdessen deuten sie darauf hin, dass frühe Erinnerungen kodiert werden, aber mit der Entwicklung des Gehirns schwer abzurufen sind. Dies könnte weitreichende Auswirkungen auf das Verständnis von Gedächtnisstörungen, die kindliche Entwicklung und sogar auf Techniken zur Gedächtnisverbesserung haben.
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