MÜNCHEN (IT BOLTWISE) – In der digitalen Ära, in der soziale Medien eine zentrale Rolle im Alltag vieler Menschen spielen, hat sich TikTok als eine Plattform etabliert, die nicht nur Unterhaltung bietet, sondern auch als Informationsquelle dient. Besonders im Bereich der psychischen Gesundheit, wie bei ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung), suchen viele Nutzer nach Antworten und Unterstützung.
Die Beliebtheit von TikTok als Plattform für Informationen über ADHS hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Mit Hunderten von Millionen Aufrufen für Inhalte unter Hashtags wie #ADHS, hat die Plattform eine breite Gemeinschaft von Menschen angezogen, die sich mit den Symptomen dieser Störung identifizieren. Viele dieser Videos nutzen Humor und relatable Inhalte, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu gewinnen. Doch eine neue Studie warnt davor, dass weniger als die Hälfte der in den populärsten Videos gemachten Behauptungen den wissenschaftlichen Kriterien für eine ADHS-Diagnose entsprechen.
Die Studie, durchgeführt von Vasileia Karasavva, einer Postdoktorandin an der University of British Columbia, zeigt, dass viele der Inhalte auf TikTok die Symptome von ADHS vereinfachen oder übertreiben und oft nicht auf verlässlichen Quellen basieren. Dies kann dazu führen, dass Menschen ein verzerrtes Bild von ADHS entwickeln und sich in ihren Symptomen schlechter fühlen. Karasavva betont, dass der Konsum dieser Inhalte die Wahrnehmung von ADHS negativ beeinflussen kann, indem er die Symptome als schwerwiegender und weiter verbreitet darstellt, als sie tatsächlich sind.
Ein weiteres Problem ist, dass viele der Content-Ersteller auf TikTok Produkte im Zusammenhang mit ADHS über Links in ihren Profilen oder Beiträgen verkaufen. Dies wirft Fragen über die Motivation hinter diesen Inhalten auf und ob sie wirklich darauf abzielen, zu helfen oder eher kommerzielle Interessen verfolgen. Kevin Antshel, ein klinischer Psychologe an der Syracuse University, weist darauf hin, dass Menschen, die viel Zeit auf TikTok verbringen, oft mit einer Selbstdiagnose in Kliniken erscheinen und bereits wissen, welche Art und Dosis von Medikamenten sie wünschen.
Die Verbreitung von Fehlinformationen auf TikTok ist nicht nur ein Problem der Plattform selbst, sondern spiegelt auch das wachsende Interesse und die Anerkennung von ADHS bei Erwachsenen wider. Viele Erwachsene, die als Kinder nicht diagnostiziert wurden, suchen nun nach Antworten. In den USA gibt es derzeit keine spezifischen Richtlinien für Erwachsene mit ADHS, aber es wird daran gearbeitet, diese noch in diesem Jahr einzuführen.
Therapeuten erkennen an, dass soziale Medien eine echte Lücke füllen, insbesondere für Menschen, die traditionell übersehen wurden. Maggie Sibley, eine klinische Psychologin an der University of Washington School of Medicine, beschreibt es als ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist es positiv, dass Menschen, deren ADHS-Erfahrungen jahrzehntelang unbemerkt blieben, endlich die notwendige Versorgung erhalten. Andererseits kann die Verbreitung von ungenauen Informationen zu unnötigen Behandlungen führen.
Die Studie von Karasavva zeigt, dass Menschen, die mehr Zeit mit ADHS-Inhalten auf TikTok verbringen, dazu neigen, die Prävalenz von ADHS zu überschätzen. Während in Kanada etwa 5% und in den USA 6% der Bevölkerung von ADHS betroffen sind, schätzen einige Nutzer die Prävalenz auf fast 30%. Diese Fehleinschätzung könnte darauf zurückzuführen sein, dass die ständige Konfrontation mit diesen Inhalten die Menschen dazu bringt, sich ihrer eigenen Konzentrationsschwächen oder kleiner Fehler übermäßig bewusst zu werden.
Obwohl es Bedenken gibt, sieht Sibley auch die positiven Aspekte der neuen Ideen, die von Plattformen wie TikTok kommen. Sie glaubt, dass Forscher mit offenem Geist zuhören und dann rigoros untersuchen sollten, was sich bewährt. Die Herausforderung besteht darin, zwischen nützlichen Informationen und solchen zu unterscheiden, die mehr Schaden als Nutzen anrichten könnten.
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