BERLIN / MÜNCHEN (IT BOLTWISE) – Die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) steht vor erheblichen Herausforderungen, wie die jüngsten Berichte aus den Modellregionen zeigen.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat eine Verlängerung der Testphase für die elektronische Patientenakte (ePA) gefordert. Bei einer Vertreterversammlung in Berlin berichteten Teilnehmer aus den Modellregionen von einem bisherigen Scheitern der Erprobung. Der bundesweite Roll-out der ePA und die damit einhergehende Nutzungsverpflichtung sollten erst dann erfolgen, wenn alle Sicherheitsschwachstellen sowie technische Mängel und Einschränkungen in der Nutzbarkeit umfassend behoben sind, heißt es in einem einstimmig angenommenen Antrag.
Die Testphase verläuft bisher desaströs, erklärte Christian Pfeiffer, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB). Die ePA sei ein Produkt, das den Patientinnen und Patienten aufgezwungen werde, aber nicht funktioniere. Dies schade der Akzeptanz eines eigentlich guten Konzepts. Besonders fatal sei, dass bei der Testphase die Expertise der Praxen ignoriert werde, beklagte Jens Grothues von der KV Westfalen-Lippe (KVWL), der mit seiner Praxis an der Erprobung teilnimmt.
Volker Schrage, zweiter Vorsitzender der KVWL, stimmte dem zu. Auch er betreibe eine Testpraxis und habe seit Beginn der Modellphase nur zwei ePAs befüllt. Viele Kolleginnen und Kollegen könnten dies noch nicht einmal, da sie die notwendigen Module noch nicht erhalten hätten oder diese nicht richtig funktionierten. Es funktioniere vorn und hinten nicht, beklagte Schrage. Er habe demnächst ein Gespräch im Bundesgesundheitsministerium, um deutlich zu machen, dass die Ärzteschaft bei einer forcierten Einführung keine Verantwortung übernehmen könne.
In Nordrhein-Westfalen, wo 122 Praxen mit 24 verschiedenen Praxisverwaltungssystemen (PVS) teilnehmen, hätten drei PVS-Hersteller immer noch kein ePA-Modul geliefert. Es gebe derzeit vier besonders auffällige Fehlercluster, die eine regelhafte Testung in einem Drittel der Pilotpraxen verhindern. So seien Zugriffe auf die Aktensysteme nicht möglich, Daten würden gar nicht oder nicht vollständig in die elektronische Medikationsliste übertragen, der PDF/A-Upload funktioniere nicht zuverlässig und es gebe lokal bedingte Systemfehler in den Primärsystemen oder der Infrastruktur in der Praxis.
Eine Befragung der dortigen Pilotpraxen habe ergeben, dass zwei Drittel der Praxen die ePA aktuell als teilweise oder gar nicht nutzbar bewerten. Nur 24 der 71 befragten Praxen hatten angegeben, nach ihrem aktuellen Erfahrungsstand einen bundesweiten Roll-out als sinnvoll zu erachten. Die Bundesregierung solle den weiteren Digitalisierungsprozess in der ambulanten Versorgung durch gezielte Anreize, statt durch Sanktionen vorantreiben.
Honorarkürzungen und Kürzungen der TI-Pauschale müssten gestrichen werden und stattdessen Early Adopters gezielt gefördert werden. Die Bundesregierung müsse zeitnah ein Praxis-Zukunfts-Gesetz erlassen, das insbesondere den Wechsel zu innovativen PVS und moderner Praxis-IT fördert. Auch die Bereitstellung offener, standardisierter Schnittstellen in PVS müsse gesetzlich abgesichert und klare Mitwirkungspflichten der Hersteller für einen reibungslosen PVS-Wechsel verbindlich verankert werden.
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