MÜNCHEN (IT BOLTWISE) – Die personalisierte Medizin steht vor einem bedeutenden Wandel, da Künstliche Intelligenz (KI) zunehmend in der Krebsbehandlung eingesetzt wird. Ein Forschungsteam aus Deutschland hat einen innovativen Ansatz entwickelt, der die Behandlungsmöglichkeiten für Krebspatienten erheblich verbessern könnte.
In der modernen Medizin wird die personalisierte Behandlung von Patienten immer wichtiger. Bisher basierten solche Ansätze auf einer begrenzten Anzahl von Parametern, die den Krankheitsverlauf vorhersagen sollten. Doch gerade bei komplexen Erkrankungen wie Krebs reichen diese wenigen Werte oft nicht aus, um ein vollständiges Bild zu erhalten. Ein Forschungsteam der Universitäten Duisburg-Essen und München sowie des Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data (BIFOLD) hat nun mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) einen neuen Ansatz entwickelt, um diese Herausforderung zu meistern.
Die Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift Nature Cancer veröffentlicht wurde, zeigt das Potenzial von KI, klinische Messwerte nicht isoliert, sondern im Zusammenhang zu betrachten und neu zu bewerten. Dadurch wird eine personalisierte, datengetriebene Krebstherapie ermöglicht, die auf den individuellen Bedürfnissen der Patienten basiert. Philipp Keyl, einer der führenden Forscher des Projekts, betont die Bedeutung dieser Entwicklung für die klinische Praxis.
Basierend auf der Smart Hospital-Infrastruktur des Universitätsklinikums Essen haben die Forscher Daten aus verschiedenen Quellen zusammengeführt. Dazu gehören medizinische Vorgeschichte, Laborwerte, Bildgebung und genetische Analysen. Diese umfassende Datensammlung erleichtert die klinische Entscheidungsfindung erheblich. Prof. Dr. Dr. Jens Kleesiek vom Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin am Universitätsklinikum Essen hebt hervor, dass trotz der Verfügbarkeit riesiger Mengen an klinischen Daten das Versprechen einer wirklich personalisierten Medizin oft noch unerfüllt bleibt.
In der onkologischen Praxis werden bisher starre Bewertungssysteme wie die Einteilung in Tumorstadien verwendet, die individuelle Unterschiede kaum berücksichtigen. Mithilfe moderner KI-Technologien, insbesondere erklärbarer Künstlicher Intelligenz (xAI), können diese komplexen Beziehungen entschlüsselt und die Krebsmedizin deutlich stärker personalisiert werden. Prof. Dr. Frederick Klauschen von der LMU und Prof. Dr. Klaus-Robert Müller vom BIFOLD haben diesen Ansatz entwickelt, um die Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern.
Für die Studie wurde die KI mit Daten von über 15.000 Patienten mit insgesamt 38 verschiedenen soliden Tumorerkrankungen trainiert. Dabei wurde das Zusammenspiel von 350 Parametern untersucht, darunter klinische Daten, Laborwerte, bildgebende Verfahren und genetische Tumorprofile. Dr. Julius Keyl, Clinician Scientist am Institut für KI in der Medizin, erklärt, dass Schlüsselelemente identifiziert wurden, die einen Großteil der Entscheidungsprozesse des neuronalen Netzwerks ausmachten.
Das KI-Modell wurde erfolgreich anhand der Daten von über 3.000 Lungenkrebspatienten überprüft, um die gefundenen Wechselwirkungen zu validieren. Die KI kombiniert die Daten und ermittelt daraus eine Gesamtprognose für jeden einzelnen Patienten. Als erklärbare KI macht das Modell seine Entscheidungsfindung für das behandelnde Personal nachvollziehbar, indem es zeigt, wie jeder einzelne Parameter zur Prognose beigetragen hat.
Die Forscher hoffen, dass diese KI-Methode zukünftig auch in Notfällen angewendet werden kann, bei denen es lebenswichtig ist, diagnostische Parameter schnell zu beurteilen. Zudem könnten auf diese Weise komplexe, krebsübergreifende Zusammenhänge entschlüsselt werden, die mit herkömmlichen statistischen Methoden bisher unentdeckt geblieben sind. Prof. Dr. Martin Schuler vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) sieht in der Technologie großes Potenzial, den Patientennutzen im Rahmen klinischer Studien nachzuweisen.
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