MÜNCHEN (IT Boltwise) – Google DeepMind stellt mit AMIE ein neues KI-Modell vor, das darauf abzielt, Patienten zu diagnostizieren und so medizinische Prozesse zu verbessern.
Die Komplexität von Gesundheitssystemen stellt für Patienten oft eine Herausforderung dar, sei es bei der Entschlüsselung von Fachjargon oder der Entscheidung, welchen Spezialisten man als Nächstes aufsuchen sollte. Ärzte wiederum stehen häufig unter enormem Zeitdruck, was es schwierig macht, jedem Patienten individuelle Aufmerksamkeit zu schenken. Diese Probleme verschärfen sich in Regionen mit begrenzten medizinischen Ressourcen.
Die Integration von Künstlicher Intelligenz in medizinische Abläufe ist ein langgehegter Traum, der seit dem Debüt von IBMs Watson vor über einem Jahrzehnt verfolgt wird. Trotz langsamer Fortschritte könnte nun ein Durchbruch bevorstehen. Große Sprachmodelle, einschließlich ChatGPT, weisen das Potenzial auf, diesen Bereich zu revolutionieren.
Das Team hinter Google DeepMind hat kürzlich ein Papier über AMIE (Articulate Medical Intelligence Explorer) vorgestellt, ein KI-Modell, das Informationen von Patienten aufnimmt und klare Erklärungen zu medizinischen Zuständen liefert.
Vivek Natarajan, KI-Forscher bei Google und Hauptautor der Studie, betont, dass AMIE nicht darauf ausgelegt ist, menschliche Ärzte zu ersetzen, sondern sie vielmehr zu unterstützen. Er sieht die Möglichkeit, dass ein ähnliches KI-System sowohl Ärzten als auch Patienten helfen könnte, Symptome und Zustände besser zu verstehen und als wertvolle zweite Meinung zu dienen.
Thomas Thesen, Professor für medizinische Ausbildung am Dartmouth’s Geisel School of Medicine, glaubt ebenfalls, dass KI eine zunehmend größere Rolle im Gesundheitswesen spielen wird, ohne jedoch die Expertise menschlicher Ärzte zu ersetzen. Seiner Meinung nach wird KI Ärzte unterstützen, indem sie deren Arbeit vereinfacht und zu bestimmten diagnostischen Prozessen beiträgt.
Um AMIE ohne medizinisches Studium auf den neuesten Stand zu bringen, speisten Natarajan und Kollegen die KI mit realen medizinischen Texten, einschließlich Transkripten von fast 100.000 echten Arzt-Patienten-Dialogen, zusammengefassten Intensivpflegeprotokollen und Tausenden von medizinischen Prüfungsfragen.
Diese Daten allein reichten jedoch nicht aus. Das Team nutzte auch eine simulierte Diagnoseumgebung, die es AMIE ermöglichte, aus eigenen Fehlern zu lernen. Dieser Ansatz umfasste zwei „Selbstspiel“-Schleifen, die AMIE in einen kontinuierlichen Lernzyklus versetzten.
Natarajan betont, dass es keinen Ersatz für die reale menschliche Erfahrung in der Medizin gibt, jedoch bietet dieses Trainingsmodell AMIE gewisse Vorteile gegenüber menschlichen Ärzten. Beispielsweise könnte AMIE in wenigen Trainingszyklen so viele Patienten „sehen“, wie ein menschlicher Arzt in seiner gesamten Karriere.
In einer blinden und zufällig kontrollierten Studie wurde AMIE gegen 20 menschliche Hausärzte getestet, die mit Patientendarstellern in Kanada, Indien und dem Vereinigten Königreich Beratungen durchführten. Die Beratungen wurden anhand mehrerer Faktoren bewertet, darunter Einfühlungsvermögen, Offenheit und Ehrlichkeit, diagnostische Genauigkeit und Managementplanung. Sowohl die Patientendarsteller als auch die Fachexperten stellten fest, dass AMIE eine „größere diagnostische Genauigkeit und überlegene Leistung“ im Vergleich zu den menschlichen Kollegen zeigte.
Natarajan und Kollegen planen, die Fähigkeiten von AMIE weiterzuentwickeln, um multimodale Quellen wie Videogespräche einzubeziehen. Sie werden auch Fragen der Gerechtigkeit, Fairness und der adversären Testung untersuchen, um AMIE besser auf die reale Welt vorzubereiten.
Thesen betont die Notwendigkeit für Medizinschulen, KI-Kenntnisse in ihren Lehrplan aufzunehmen, um zukünftige Ärzte auf die Integration von KI in die klinische Praxis vorzubereiten.
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