BERLIN / MÜNCHEN (IT BOLTWISE) – Deutschland, einst ein führender Stromexporteur in Europa, erlebt einen signifikanten Wandel in seiner Energiepolitik. Der Anstieg der Stromimporte und der Rückgang der inländischen Produktion markieren eine neue Ära für das Land.
Deutschland, das lange Zeit als Stromlieferant für viele europäische Länder galt, hat sich in den letzten Jahren zu einem Netto-Importeur von Elektrizität entwickelt. Diese Entwicklung ist das Ergebnis einer Reihe von politischen und wirtschaftlichen Veränderungen, die das Land in eine neue Richtung lenken. Im Jahr 2024 importierte Deutschland 81,7 Milliarden Kilowattstunden Strom, was einem Anstieg von fast 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Gleichzeitig sanken die Exporte auf 55,4 Milliarden Kilowattstunden, was den Importüberschuss auf 26,3 Milliarden Kilowattstunden erhöhte.
Die Gründe für diesen Wandel sind vielfältig. Einer der Hauptfaktoren ist die veränderte Energiepolitik Deutschlands, insbesondere die Entscheidung, die letzten drei Atomkraftwerke im April 2023 endgültig abzuschalten. Diese Maßnahme hat die Abhängigkeit von Stromimporten erhöht, da die inländische Produktion nicht mehr ausreicht, um den Bedarf zu decken. Die heimische Stromproduktion sank 2024 um 3,6 Prozent auf 431,5 Milliarden Kilowattstunden.
Ein weiterer Grund für den Rückgang der inländischen Stromproduktion ist die geringere Nachfrage aus dem verarbeitenden Gewerbe, das aufgrund wirtschaftlicher Herausforderungen weniger Energie benötigt. Gleichzeitig steigt der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung. Im Jahr 2024 wurden 59,4 Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms aus erneuerbaren Quellen wie Wind, Solar, Wasser und Biogas gewonnen, ein Anstieg gegenüber den 56 Prozent im Vorjahr.
Die wichtigsten Stromlieferanten für Deutschland sind Frankreich, Belgien und die Schweiz. Ironischerweise stammt ein erheblicher Teil dieser Importe aus Kernenergie, einer Technologie, die Deutschland selbst nicht mehr nutzt. Frankreich profitiert besonders von der deutschen Nachfrage, da es einen Großteil seines Stroms durch Atomkraftwerke erzeugt und Überschüsse ins Ausland verkauft.
Während die konventionelle Stromerzeugung in Deutschland zurückgeht, gewinnt Erdgas als Energieträger an Bedeutung. Fast 15 Prozent der deutschen Stromproduktion wurden 2024 durch Gaskraftwerke gedeckt. Doch auch hier gibt es Herausforderungen: Der volatile Gaspreis und die geopolitische Unsicherheit könnten die Versorgung in Zukunft weiter erschweren.
Deutschland steht vor einem strategischen Wendepunkt in seiner Energiepolitik. Während der Ausbau erneuerbarer Energien voranschreitet, bleibt das Land kurzfristig auf Stromimporte angewiesen. Diese Abhängigkeit könnte sich jedoch als Chance erweisen, um die Energieinfrastruktur weiter zu diversifizieren und die Integration erneuerbarer Energien zu beschleunigen.
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