MÜNCHEN/BERLIN (IT BOLTWISE) – Eine typisch deutsche Vorgehensweise könnte man meinen: Deutschland richtet eine Prüfstelle für die Entwicklung und Nutzung von künstlicher Intelligenz ein. Ein deutsches „KI-Oberservatorium“ soll noch in diesem Jahr die Arbeit aufnehmen und offiziell im kommenden Jahr eröffnet werden. Seine Aufgabe ist die Überprüfung künstlicher Intelligenzen sein und KI-Projekte wie eine Art TÜV prüfen. Ziel sei ein europaweites Netz kooperierender KI-Bewertungsstellen zu errichten. Ziel sei es auch Deutschland wettbewerbsfähig zu machen, um KI-Projekte mit Potential zu fördern.
Künstliche Intelligenz hat schon seit geraumer Zeit Einzug in unser Zuhause gefunden und steuert Sprachassistenten wie Siri von Apple oder Alexa von Amazon. Sie wird von Banken, Versicherungen und Reisebüros genutzt und kommt täglich zum Einsatz, um Kundenwünsche besser zu verstehen und den Umsatz voranzutreiben. Die Autoindustrie braucht Künstliche Intelligenz, damit Fahrzeuge leichter bedienbar sind. Anwendungen für Künstliche Intelligenz setzen sich auch in deutschen Unternehmen immer weiter durch – mit weitreichenden Folgen für Unternehmen und deren Beschäftigte.
Das Bundesministerium für Arbeit in Deutschland schafft darum jetzt Fakten: Noch in diesem Jahr soll nach exklusiven Informationen der Süddeutschen Zeitung das „deutsche KI-Oberservatorium“ seine Arbeit aufnehmen – als eine Art TÜV-Prüfstelle für Künstliche Intelligenz in Unternehmen. Anfang kommenden Jahres ist die offizielle Eröffnung durch SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil geplant.
Das sogenannte KI-„Observatorium“ wird zunächst als eigenständige Einheit im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (kurz auch bekannt als „BMAS“) angesiedelt. Derzeit werden erste Beschäftigte eingestellt, die Bewerbungsphase läuft jedoch noch und es werden Fachleute in Sachen Künstliche Intelligenz händeringend gesucht. In den kommenden Monaten ist geplant, ein eigenes Bundesinstitut für Künstliche Intelligenz mit deutlich mehr Personal einzurichten. Es soll Chancen und Risiken der künstlichen Intelligenz bewerten und politisch steuern helfen.
Der Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Björn Böhning sagte gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Wir untersuchen, wo Technologien der künstlichen Intelligenz eingesetzt wird und wo das in sensiblen Bereichen geschieht“. Wenn es sich um eine durch Künstliche Intelligenz entstandene Playlist bei einem Musikstreamingdienst handele, so Böhning, dann sei „das kein Problem für die Politik. Wenn aber ein autonom fahrendes Auto entscheidet, dann geht es um eine andere Risikoklasse, für die wir dann auch politische Gestaltung brauchen.“
Berufe wie Kassiererin und Kassierer werden durch KI wegfallen
Bei ethisch nicht vertretbaren Anwendungsgebieten, kann es in Anlehnung an die Empfehlungen der „Datenethikkommission“ auch zukünftig durch den neuen KI-TÜV zu Verboten oder auch Bußgeldern kommen. Der Fokus des Bundesministerium für Arbeit und Soziales liegt auf Anwendungen der künstlichen Intelligenz im Wirtschafts- und Arbeitsleben. In den letzten Monaten wurde insbesondere die aktuelle Entwicklung im deutschen Einzelhandel und im Finanz- und Bankensektor beobachtet. Berufe wie Kassiererin und Kassierer haben kaum noch Zukunft – nicht nur KI ist hierfür verantwortlich, sondern auch die rasanten Digitalisierung, welche von international agierenden Online-Verkaufsplattformen wie Amazon befeuert wird. Aber auch im Finanzsektor wird ein Boom durch Künstliche Intelligenz erwartet, und zwar in einem Kernbereich der Branche: Das Kredit- und das Aktiengeschäft wird künftig immer stärker durch KI getrieben, was einen spürbaren Einfluss auf die Beschäftigten haben dürfte.
Allgemein erwarten Fachleute des Ministeriums BMAS, dass durch den Strukturwandel in den kommenden fünf Jahren 1,3 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland vor allem durch Künstliche Intelligenz verloren gehen werden, aber auch 2,1 Millionen neue Stellen entstehen werden, wenn die nötige Grundlage geschaffen werde. Bis zum Jahr 2035 könnten sogar rund vier Millionen Arbeitsplätze wegfallen, aber auch etwa 3,3 Millionen neue Stellen hinzukommen. Das allerdings setzt voraus, dass sich viele Beschäftige neue Qualifikationen aneignen. Dafür sind Umschulungen und Weiterbildungen erforderlich. Hierbei soll das „Arbeit-von-Morgen-Gesetz“ helfen, das Heil bereits auf den Weg gebracht hat und das teilweise auf Kritik der Arbeitgeber stößt.
Dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist dem Vernehmen nach klar, dass Deutschland bei der wirtschaftlichen Nutzung der künstlichen Intelligenz im weltweiten Wettbewerb einigen Nachholbedarf hat. Darum sollen das KI-„Observatorium“ und das spätere Bundesinstitut immer auch die Chancen der neuen Technologie im Blick behalten. Des Weiteren soll der in Berlin angesiedelte KI-TÜV keinen deutschen Sonderweg markieren, vielmehr wird eine enge Abstimmung mit Europäischer Kommission und OECD angestrebt. Ziel ist ein europaweites Netz kooperierender KI-Bewertungsstellen.
Eine „deutsche“ Note soll das geplante Observatorium für Künstliche Intelligenz allerdings doch bekommen. Die betriebliche Mitbestimmung wird im Arbeitsministerium als Erfolgsfaktor bei der Einführung von künstlicher Intelligenz in Produktionsprozesse gewertet, sie stärke das Vertrauen der Beschäftigten und helfe, die neue Technologie zu etablieren, heißt es. Darum will das Bundesministerium für Arbeit und Soziales noch bis 2020 eine Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes auf den Weg bringen, um die Mitbestimmung auch auf die Künstliche Intelligenz auszudehnen. Die Begründung hierfür laut des BMAS: „Wenn Künstliche Intelligenz in Produktionsprozesse Einzug hält, dann ist die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter ständig kontrollierbar.“
Quelle: SZ und BOLTWISE
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